Anlässlich der 100-Jahr-Feier am Samstag, 29. September 2007.
In der Zeit des Dritten Reiches wurden sämtliche Unterlagen des Ortsvereins beschlagnahmt und vernichtet. Aus der Gründungszeit existieren deshalb nur wenige Dokumente. Neuere Recherchen haben ergeben, dass die Gründungsurkunde auf den 2. August 1905 datiert ist. Damals wurde ein „Sozialdemokratischer Verein Bindlach“ ins Leben gerufen. Männer der ersten Stunde waren der Maurer Heinrich Küfner als 1. Vorstand, der Fabrikarbeiter Johann Kögler als sein Stellvertreter, der Maurer Heinrich Naser als Kassier, der Maschinist Adam Kühlein als 1. Schriftführer und der Taglöhner Erhard Kern als 2. Schriftführer. Somit müssten wir also heute unser 102. Jubiläum feiern. Da aber unsere Vereinsfahne, die 1967 geweiht wurde, in Unkenntnis der Datenlage die Jahreszahl 1907 erhielt und deshalb alle vorausgegangen Jubiläen in diesem Rhythmus gefeiert wurden, wollen wir auch jetzt dabei bleiben. Wir werden 100!
Es ist bekannt, dass bereits einige Jahre vorher – um die Jahrhundertwende – in Bindlach sozialdemokratisches Gedankengut vorhanden war. Arbeiter in unserer damals noch vollkommen landwirtschaftlich strukturierten Gemeinde hatten sich schon früh damit auseinander gesetzt. Sie waren häufig in Bayreuther Textilbetrieben beschäftigt und wurden als Kommunisten bezeichnet. Obwohl die regelmäßigen Versammlungen in Bindlacher Gaststätten vereinbart wurden, fanden die Mitgliederversammlungen in den Anfangsjahren häufig in Bayreuth statt. Die Bindlacher Wirte wollten mit den „Roten“ wenig zu tun haben. Es ist leider nicht bekannt, ob zu jener Zeit schon Arbeiter oder SPD-Getreue dem Gemeinderat angehörten. Während des 1. Weltkriegs ruhten Parteipolitik und Vereinsleben auch in unserer Gemeinde gemäß der Devise Kaiser Wilhelms II.: „Ich kenne keine Parteien, ich kenne nur noch Deutsche!“ Die „Fränkische Volkstribüne“, die Parteizeitung aus jener Zeit, fand auch in Bindlach Leser, wies aber oft weiße Stellen auf – ein Zeichen der staatlichen Zensur während der Monarchie.
Im Jahre 1919, nach dem Ende des 1. Weltkriegs, nahm der Ortsverein seine Tätigkeit wieder auf und entwickelte sich trotz der Not und Inflation – oder vielleicht gerade deswegen – stetig weiter aufwärts. 1933 war er sogar einer der stärksten Ortsvereine im Bayreuther Bezirk. Zum Zeitpunkt der Machtergreifung durch die NSDAP waren 5 Sozialdemokraten im Gemeinderat vertreten. Bis zu diesem Zeitpunkt fanden unter dem überparteilich amtierenden Bürgermeister Georg Horn auch die Anregungen der Sozialdemokraten Gehör und Würdigung.
Der Bau der Sportplatzanlage des TSV Bindlach mit den damit verbundenen Schwierigkeiten im Jahr 1927 und die Lösung des Schulraumproblems waren deutlich sichtbare Zeichen sozialdemokratischen Einflusses. Auch die Errichtung eines „Konsum“-Ladens war mit ein Verdienst der damaligen SPD-Vertreter.
Rückblickend kann gesagt werden, dass der SPD-Ortsverein von 1919 bis 1933 das Leben der Gemeinde mitgestaltet und erfolgreiche Arbeit geleistet hat. Immer fanden sich Männer bereit, Funktionen im Verein zu übernehmen und die in dieser Zeit häufig notwendigen Wahlveranstaltungen zu organisieren. Bis zum Ende der Weimarer Republik war die Bindlacher SPD in keine nennenswerten politischen Auseinandersetzungen verwickelt. Erst mit der Gründung der NSDAP-Ortsgruppe kam es zu scharfen politischen Differenzen und schließlich auch gegenüber SPD-Mitgliedern zu persönlichen Anfeindungen. Im Jahr 1933, nach Hitlers Machtübernahme, wurde – wie im ganzen Reich – der Ortsverein verboten. Sämtliche Bücher und Unterlagen wurden beschlagnahmt und vernichtet. Der Genosse Georg Götz wurde in Schutzhaft genommen, nach einigen Wochen aber wieder frei gelassen und für ihn ein nach Laineck verzogenes SPD-Mitglied verhaftet. Durch Bürgschaft und Fürsprache von Verwandten kam auch dieser Genosse glücklicherweise einen Tag vor seinem Abtransport ins Konzentrationslager Dachau wieder frei.
Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches riefen die in der Heimat verbliebenen alten Mitglieder bereits 1945 den Ortsverein erneut ins Leben. Viele Probleme taten sich auf. Eine große Anzahl von Flüchtlingen aus den Ostgebieten ließ sich vorübergehend in Bindlach nieder. Am Bindlacher Berg war ein großes Flüchtlingslager entstanden. Dort kam es dann zur Gründung eines eigenen kleinen Ortsvereins, mit dem eng zusammengearbeitet wurde. Es galt damals, schnellstmöglich die vorhandenen Schwierigkeiten in erster Linie auf dem Gebiet der Wohnraumbeschaffung, zu beheben. Mit der Bereitstellung neuer Wohnungen in Bindlach sowie in Bayreuth und den umliegenden Gemeinden löste sich das Lager langsam auf und damit auch dieser Ortsverein.
Die Mitgliederzahl der Bindlacher SPD blieb in den 50er Jahren nahezu konstant. Bereits 1954 richtete der SPD-Ortsverein hier auf dem Gelände des TSV Bindlach ein Unterbezirkstreffen aus. Es sollte dabei Prof. Carlo Schmid, einer der Väter unseres Grundgesetzes und des Godesberger Programms der SPD, sprechen. Wegen einer Erkrankung musste er aber leider absagen.
Auf kommunalpolitischem Gebiet stellten sich langsam Erfolge ein: Im Jahr 1960 gelang es unserem verdienten Mitglied Hans Steininger das Amt des 2. Bürgermeisters zu erringen, obwohl von 10 Gemeinderäten nur 2 der SPD angehörten. 1966 schafften daraufhin 6 SPD-Mitglieder den Sprung in das Gemeindeparlament. Zudem konnte Hans Steininger die Wahl zum 1. Bürgermeister für sich entscheiden.
Einen Höhepunkt in der Geschichte des Ortsvereins stellt das Jahr 1967 mit dem Unterbezirkstreffen am 27. August dar. Hierzu konnte der damalige Vorsitzende Christian Hübner den amtierenden Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen Herbert Wehner begrüßen. Die Festansprache hielt ein Staatssekretär namens Holger Börner, später Ministerpräsident im Bundesland Hessen. Der Grund für dieses Treffen in Bindlach war die Feier des 60-jährigen Bestehens des Ortsvereins und die Fahnenweihe, die MdL Fritz Gentner vornahm.
Ende der 60er und in den 70er Jahren war eine weitere Aufwärtsentwicklung unseres Vereins festzustellen. Die schlug sich in den Wahlergebnissen, insbesondere bei der Kommunalwahl im Jahr 1972 nieder. Die SPD erreichte mit 9 Gemeinderäten und 1. Bürgermeister Hans Steininger die absolute Mehrheit im Gemeinderat. Durch die Gebietsreform 1978 mit den Eingemeindungen konnte diese Mehrheit leider nicht gehalten werden. Dennoch blieb die SPD die stärkste Fraktion im Gemeinderat. Mit Hans Steininger stellte sie 28 Jahre lang auch das Gemeindeoberhaupt. Wir können mit Stolz behaupten, dass unter unserem SPD-Bürgermeister die Gemeinde Bindlach sich von einer ländlichen Kommune zu einer Industriegemeinde mit vielen Arbeitsplätzen aber auch reichlich Wohnraum entwickelte. Damit wurde sie ein bedeutsamer wirtschaftlicher Faktor im Landkreis Bayreuth.
Bei der Kommunalwahl 1984 konnte die SPD, bei damals noch insgesamt 16 Gemeinderäten, 6 Sitze erringen. 1990 gelang es, 7 SPD-Mitglieder in den Gemeinderat zu entsenden und damit wieder stärkste Fraktion zu werden, was u.a. auf die Erhöhung der Anzahl der Gemeinderäte auf 20 zurückzuführen war.
Mit dem Rücktritt von Bürgermeister Hans Steininger im Jahr 1994 kam es zu einer gravierenden kommunalpolitischen Änderung in der Gemeinde. Durch die Wahl des CSU-Kandidaten Hermann Hübner verlor die SPD nach über 28 Jahren das Bürgermeisteramt. Seit dieser Zeit steht die SPD-Fraktion in der Opposition. Eine äußerst konstruktive und fruchtbare Oppositionsarbeit wird dabei von ihren Mitgliedern im Gemeinderat geleistet. Dies sieht man an der Vielzahl von Initiativen und Anträgen im Laufe der vergangenen Jahren. Ein Großteil davon wurde auch in die Tat umgesetzt, dann allerdings häufig als Erfolg der politischen Gegenseite dargestellt.
Während bei den Kommunalwahlen 1996 noch 7 Sitze auf die SPD entfielen, gelang 2002 nur noch 6 SPD-Gemeinderäten der Sprung in das Gemeindeparlament. Bei den anstehenden Kommunalwahlen 2008 hoffen wir auf eine Steigerung der Mandate.
Zu größeren Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Ortsvereines kam es Anfang der 90er Jahre, als im Rahmen des Ausbaues der BAB A 9 die Autobahnanschlussstelle „Bindlach“ anstand. SPD-Bürgermeister und SPD-Gemeinderäte wollten die Einrichtung der Ausfahrt „Gries“ im Ort Richtung Ramsenthal durchsetzen. Dagegen sprachen sich eine größere Anzahl von SPD-Mitgliedern aus, die in einer Bürgerinitiative zugunsten der Anschlussstelle „Bindlacher Berg“ aktiv mitwirkten. Sie wollten die bereits vorhandene und nun nicht mehr benötigte Nato-Einfahrt einbinden. Wie sich gezeigt hat, setzten sich damals parteiintern in demokratischer Weise die Befürworter der Ausfahrt „Bindlacher Berg“ durch.
Folgende Genossen haben nach 1945 den SPD-Ortsverein als 1. Vorsitzende geführt:
Hans Neuner, Leo Thiel, Georg Faber, Georg Feulner, Willi Fuchs, Christian Hübner, Werner Basler, Hans Steininger, Erich Pröckl, Winfried Gerth, Winfried Stock, Helmut Steininger, Michael Hübsch, Jürgen Masel, Volker Neisser, Jürgen Masel
Der SPD-Ortsverein Bindlach gedenkt aller in seiner Vereinsgeschichte verstorbenen, gefallenen sowie vermissten Genossinnen und Genossen.
Im September 2007: Helmut Popp und Norbert Hoffmann